Newsletter Nr. 10





Liebe Leser,

am letzten Wochenende gab es eine dreitägige Ausgangssperre im ganzen Land Sierra Leone und in dieser Zeit zogen Tausende Freiwillige und Angestellte der Behörden von Haus zu Haus, um Ebola-Kranke zu finden und die Bürger über die Krankheit aufzuklären. Einer meiner Freunde vor Ort hatte sich als Freiwilliger gemeldet und mir an jedem der drei Abende Bericht erstattet. Hier ein Auszug aus seinen Schilderungen:

„Das Training in Vorbereitung für diese drei Tage bestand darin, dass uns gezeigt wurde, wie man sich korrekt die Hände wäscht, dass man sich auch in den Fingerzwischenräumen und an den Armen reinigt. Jede halbe Stunde soll man sich die Hände mit sauberem, unbenutzten Wasser waschen, auch wenn man niemanden berührt hat. Und uns wurde noch einmal erklärt, wie sich das Virus überträgt. Das war's. Am Freitagmorgen bekam jeder ein Paar Gummihandschuhe und uns wurde gesagt, wir sollten niemanden anfassen, für Probleme gäbe es eine Notfallnummer. Ausgestattet mit Haushaltsseife und Informationsblättern über Ebola zogen wir in Teams mit jeweils vier Personen los. Weil viele Sierra Leoner korrupt sind und sich selbst bereichern wo es nur geht, wurden noch zwei Bewacher mitgeschickt, die nur darauf achteten, dass wir die Seife auch wirklich in den Haushalten abgeben und sie nicht für uns behalten. Weil am ersten Tag alle zu spät kamen, konnten wir nur 60 Haushalte besuchen. Am zweiten Tage haben wir fast 120 Häuser besucht, am dritten sogar noch mehr. Im ganzen Land gab es keine Unruhen und uns gegenüber waren alle freundlich und offen. Einigen Leuten konnten wir grundsätzliche Hygienemaßnahmen beibringen. Weil es nur in wenigen Haushalten fließendes Wasser gibt, benutzen wir das Wasser oft mehrmals. Viele waren sich nicht darüber bewusst, dass es gefährlich sein kann, sich die Hände mit schon von jemand anders benutztem Wasser zu waschen.
Natürlich war es unrealistisch zu glauben, dass wir in drei Tagen alle Häuser besuchen könnten. Leider habe ich viele Türen gesehen, an denen kein Aufkleber klebte – denn an jedes besuchte Haus klebten wir eine solche Markierung. Doch ich glaube, dass diese drei Tage und die Ausgangssperre sinnvoll waren, weil sie allen Sierra Leonern gezeigt hat, wie ernst die Situation ist und dass jeder seinen Beitrag dazu leisten muss, damit wir gemeinsam diese Krise besiegen.“

Leider sind die Meldungen in dieser Woche keineswegs besser geworden. Laut dem Gesundheitsministerium gab es in dieser Woche an jedem Tag im Schnitt 60 bestätigte Neuerkrankungen und drei besonders betroffene Gebiete wurden komplett ohne Vorankündigung abgeriegelt und unter Quarantäne gesetzt; Maßnahmen zur Versorgung der Tausenden Menschen, die in den Gebieten leben, gibt es bisher noch nicht.

In Kroo Bay, dem größten Slum Freetown, in dem gut 10.000 Menschen auf sehr engem Raum zusammenleben und wo es nur vier ausgebaute Toiletten gibt, gab es in dieser Woche den ersten Ebola-Toten. Während des Cholera-Ausbruchs vor zwei Jahren sind dort am meisten Menschen erkrankt, weil es sich so rasant ausgebreitet hat.

Ein zweiter Brennpunkt sind die Gefängnisse. Die Regierung hat in den letzten Wochen einige neue Gesetze und Regelungen eingeführt. Zum Beispiel herrscht jetzt explizit ein Anschnallverbot in öffentlichen Verkehrsmitteln (das Virus könnte ja am Sicherheitsgurt kleben), die Autos und Busse dürfen nicht mehr überladen werden (zwischen den Fahrgästen muss jeweils ein Sitzplatz frei bleiben), um 19 Uhr müssen alle zu Hause sein und andere Regeln. Da die Sierra Leoner es allgemein nicht so eng mit den Gesetzen nehmen, werden die neuen Regeln bei Nichteinhaltung besonders hart bestraft. Ein Nachbar von unserem Mitarbeiter George wurde letzte Woche ins Gefängnis geworfen, weil er nach 19 Uhr noch versucht hat, Waren zu verkaufen. Es herrscht also ein reges Kommen in den Gefängnissen und die Neuankömmlinge werden nicht auf Ebola getestet. Bis jetzt gab es in den Gefängnissen Freetowns noch keinen Fall von Ebola, aber mehrere Wärter haben schon davor gewarnt, dass sich das Virus schnell ausbreiten könnte, wenn ein infizierte Häftling hinzukäme. Außerdem sind die Gefängnisse wegen den vielen Verhaftungen komplett überfüllt und es gibt nicht genug Vorräte, um die Häftlinge mit sauberem Wasser und Nahrung zu versorgen.

Wir haben in den letzten acht Wochen insgesamt 4,500 € eurer Spenden eingesetzt. Zu ungefähr gleichen Teilen haben wir die Gelder verteilt für

  • medizinische Versorgung
  • die Versorgung von Familien unter Quarantäne
  • Nahrung, Desinfektionsmittel und sauberes Wasser für Sierra Leoner, die wir gut kennen, und ihre Familien und Nachbarn

Vielen Dank für eure großzügige Unterstützung; immer wieder sagen uns die Sierra Leoner, wie sehr sie ihnen hilft und schon geholfen hat!

Viele Grüße von den Sierra Leonis und von mir aus Münster!



Lese- und Hörempfehlungen

Da ich es zeitlich gar nicht schaffe, all das aufzuschreiben, was ich eigentlich schreiben will, schicke ich euch einige Lese- und Hörempfehlungen zum Thema.