Newsletter Nr. 7





Liebe Leser,

ich habe in den letzten Monaten schon zweimal vom Ausbruch des Ebola-Virus in Westafrika berichtet; am Wochenende veröffentlichten Ärzte ohne Grenzen eine Pressemitteilung, dass die Situation „völlig außer Kontrolle“ sei. In der letzten Woche hat sich die Zahl der Infizierten und der dadurch bedingten Todesfälle stark erhöht in den drei betroffenen Ländern Guinea, Sierra Leone und Liberia.

Vor allem in der Grenzregion zu Guinea, im Nordosten und Osten von Sierra Leone, breitet sich die hochansteckende Viruskrankheit trotz geschlossener Grenzen aus. Doch warum lässt sich die Epidemie nicht eindämmen?

Mangel an Fachkräften und Ausrüstung

Für ausländische Hilfs- und Entwicklungsorganisationen ist der Ebola-Ausbruch längst zum ethischen Dilemma geworden. Die Organisationen haben die Aufgabe, gut für ihre Mitarbeiter zu sorgen und sie keinem unnötigen Risiko auszusetzen. Deshalb haben mehrere NGOs schon sämtliche ausländische Fachkräfte evakuiert, ein Krankenhaus in Freetown musste schon komplett geschlossen werden mangels Personal. Vieles dreht sich um die Sicherheit der Ausländer, doch was ist mit den locals, den sierra leonischen Krankenschwestern und Ärzten? Sie können der Situation nicht entfliehen, sind oft schlechter ausgebildet und brauchen die Unterstützung der Fachkräfte aus dem Ausland, um angemessen auf den Ausbruch reagieren zu können. Ein britischer Arzt, dessen Blog ich folge, schreibt in seinem letzten Text: „Es erinnert sehr an den Bürgerkrieg. Die NGOs lassen alle Weißen sofort evakuieren und lassen die Einheimischen ohne irgendwelche Vorkehrungen zurück. Jeden Tag sterben Menschen an Malaria, inzwischen können auch diese Patienten nicht mehr adäquat behandelt werden, weil es zu wenige Ärzte gibt und sich alle auf Ebola konzentrieren. Wir wissen, dass Ebola Menschen tötet, aber kostet unsere Reaktion auf den Ausbruch auch Menschen das Leben? Ist das noch verhältnismäßig?“ Mittlerweile sind Ärzte ohne Grenzen und andere medizinische Organisationen vor Ort, doch im Gegensatz zu den NGOs, die schon länger vor Ort sind, kennen sie die örtlichen Gegebenheiten und die Kultur nicht und brauchen unter Umständen länger, damit ihre Maßnahmen greifen.

Misstrauen in die Politik und andere Behörden

Freunde vor Ort haben mir erzählt, dass mittlerweile die ungeheuerlichsten Gerüchte umgehen: wie das Virus sich überträgt, wie man angeblich eine Ansteckung vermeiden kann, über die tatsächliche Zahl der Toten und Infizierten. Jeden Tag werden die Geschichten dramatischer und sie verbreiten sich auch deshalb so rasant, weil die Informationspolitik der Regierung in der Vergangenheit oft nicht zuverlässig und getürkt war, vor allem was Zahlen angeht. Die Menschen sind es gewohnt, ihre Angelegenheit selbst zu klären – ohne Polizei, Richter und Ärzte. Sie sind es gewohnt, eigene Lösungen für ihre Probleme zu finden, auch wenn diese nicht immer zielführend und richtig sind. Deshalb ist es in dieser akuten Bedrohung schwer für die Entscheidungsträger, das Vertrauen der Bürger zu gewinnen und die Bedrohung effektiv zu bekämpfen.

Traditionen und kulturelle Probleme

Gerade im Osten von Sierra Leone leben die Menschen noch sehr traditionell. Viele waren noch nie in ihrem Leben bei einem Arzt und haben sich immer nur von den traditionellen Heilern und Medizinmännern behandeln lassen. Sie haben kein Vertrauen zur Medizin der Weißen. Wer sich mit dem Ebola-Virus angesteckt hat, wurde verflucht, heißt es in vielen Dörfern; heilen könne man es nur durch einen traditionell angerührten Sud aus Ingwer, Zwiebeln, Knoblauch, Essig und Honig. Auch die Beisetzungen der Toten werden vielerorts noch traditionell mit Waschungen und Körperkontakt vorgenommen, was die Ansteckungsgefahr erhöht. Deshalb ist die tatsächliche Zahl der Ebola-Opfer unbekannt und liegt vermutlich deutlich höher als die Zahl der offiziell getesteten. In einem Fall wurden weiße Helfer aus dem Dorf gejagt, als sie einen Kranken mit Ebola-Symptomen mitnehmen wollten. Da das Virus sich über Körperflüssigkeiten überträgt, meist über die Haut, tragen die medizinischen Helfer Schutzanzüge, die jeden Quadratzentimeter der Haut bedecken. Die Anzüge und die Behandlung unter Quarantäne, getrennt von allen Familienangehörigen und Freunden, tragen auch dazu bei, das viele Menschen sehr verängstigt und misstrauisch auf die Helfenden reagieren.

Unzureichende Hilfe und Forschung

Das Ebola-Virus wurde zum ersten Mal vor knapp 40 Jahren in Zentralafrika entdeckt. Seitdem gab es immer wieder kleinere und mittlere Ausbrüche mit bis zu 280 Toten; der Ausbruch in Westafrika ist der bisher größte. Trotz der Bekanntheit des Virus gibt es keine darauf abgestimmte Behandlung oder gar eine Impfung. „Afrika ist kein rentabler Markt für die Pharmaindustrie,“ sagt ein Bekannter zynisch zu mir. „Für Krankheiten, die nur in Afrika vorkommen, werden zu wenig Forschungsgelder ausgegeben. Aber wenn solch ein Virus in Europa ausbrechen sollte, würde mit Hochdruck an Behandlungsmöglichkeiten geforscht.“ Und Ärzte ohne Grenzen beklagen in ihrer Pressemitteilung, der Ausbruch werde von der WHO und der internationalen Gemeinschaft nicht ernst genug genommen, es fehle massiv an Unterstützung.

Viel Grüße,
Hanna