Newsletter Nr. 22





Liebe Freunde,

ich hatte euch in meinem letzten Newsletter ein Update zum Projekt angekündigt und tatsächlich gibt es seit dieser Woche Neuigkeiten.

Bevor ich mit den Neuigkeiten herausrücke, will ich einen kleinen Rückblick auf die letzten Monate geben, in denen – in eurer Wahrnehmung aus den Newlsettern – nicht viel bei Salone Dreams passiert ist. An umgesetzten Projekten gemessen ist es das auch nicht, aber mir sind in den letzten Monate viele Dinge klar geworden:

  • Durch meine Arbeit bei der NGO World Hope sehe ich immer mehr, wie komplex es ist, ein Projekt umzusetzen und wie schwierig es oft ist, sich mit den Regierungsbehörden zu arrangieren, die leider in der Regel stoisch, langsam und korrupt arbeiten. Ohne sie geht es aber nicht, denn sonst wird man aus dem Land geworfen, was ich nun schon zweimal in meiner Zeit hier erlebt habe.
  • Als junge, weiße und unverheiratete Frau habe ich sozial-kulturell keinen Einfluss und bin für lokale Meinungsführer keine ernstzunehmende Person. Diesen Punkt habe ich bisher unterschätzt, weil ich mich oft mit Leuten umgeben habe, die nicht signifikant älter sind als ich und ein etwas moderneres Rollenverständnis haben. Klassisch aber haben Frauen in der patriarchalischen Gesellschaft dieses Landes deutlich weniger Entscheidungsgewalt und wenn sie doch Einfluss haben, dann haben sie ihn mit den Jahren und durch ihre Position als verheiratete Frau mit Kindern gewonnen. Auch wenn die Jüngeren toleranter und offener sind, beugen sie sich doch den kulturellen Gegebenheiten.
  • Land zu kaufen, was wir für den Bau des Bildungszentrums bräuchten, ist eine der größten Schwierigkeiten. Ein Relikt aus der Postkolonialzeit ist es den Sierra Leonern vorbehalten, Land zu kaufen und als Ausländer, selbst wenn man nur in den Verkauf involviert und nicht privater Verkäufer ist, muss man einen bis zu 15 mal höheren Kaufpreis einrechnen.
  • Meine Mitarbeiter hier sind zwar engagiert und motiviert, bringen aber alle kaum Bildung mit. Sie haben zwar viele lokale Kenntnisse, die ich nicht habe, sind aber nicht gut vernetzt, haben keine Erfahrung in bürokratischen Prozessen und können nicht eigenständig Projekte leiten und durchführen. Die Sierra Leoner sind nicht für ihre Eigenständigkeit bekannt und so war ich in der Vergangenheit doch in jede Sache, zumindest in die Planung, involviert, obwohl ich Aufgaben hatte abgeben wollen. Meinen Mitarbeitern ist das klar, sie haben aber die Erwartung, dass ich so in sie investiere, dass sie es irgendwann können. Das Irgendwann wäre frühestens in ein paar Jahren und auch wenn die Kernbereiche der Mitarbeiter hier sehr schätze, brauche ich doch jemanden mit einer guten Bildung und Vernetzung, der mich hier vor Ort unterstützt.
  • Ich will es drastisch ausdrücken: Die Schulleitung von unserer Schule in Yam's Farm ist finanziell verwöhnt worden. Immer wenn ich von ihnen höre, gibt es Ideen und Vorschläge, was man nicht noch alles machen könnte. Grundsätzlich habe ich nichts gegen Ideen, aber wenn sie so fordernd und und häufig übertrieben gestellt werden, erschwert es die Zusammenarbeit und mir fällt es – wieder aus meiner gesellschaftlichen Position heraus – schwer, mich dem entgegenzusetzten. Immer wieder wird mir als potentiell reiche Weiße eine Verantwortung zugeschoben, die ich nicht habe, und mir wurde von verschiedenen Einheimischen geraten, mich mehr zurückzuziehen, vor allem mit finanzieller Hilfen.

Kurzum, es sind mir viele Hürden sichtbar geworden, die ich nicht gesehen habe oder in meinem Idealismus nicht sehen wollte.
Durch das Deutsch-Sierra Leonische Netzwerk, in dem wir mit Salone Dreams Mitglied sind, habe ich ein Projekt kennengelernt, dass von Sierra Leonern in Sierra Leone gegründet wurde und Salone Dreams in seinen Zielen und auch in seiner Umsetzung ähnlich ist. Es heißt Youth Development Project (YDP) und besteht momentan aus eine Grundschule, einer Schreinerei und einer Nähwerkstatt. Bisher laufen die Schule und die praktischen Aktivitäten noch getrennt, in Zukunft sollen aber Bereiche für Kinder, Jugendliche und Erwachsene ineinander übergreifen. Neben dem Erlernen neuer Fähigkeiten sollen die Produkte der praktischen Bereiche auch verkauft werden, um andere Projektbereiche, wie zum Beispiel die schulische Ausbildung, mitzufinanzieren.

Das YDP ist in den letzten Jahren durch den Tod des Projektgründers ins Straucheln gekommen. Ab Oktober übernimmt Francis Palmer, ein Sierra Leoner, der als Jugendlicher das Projekt mitaufgebaut hat und vor einigen Jahren in die USA gegangen ist, die Leitung. Im April habe ich ihn hier kennengelernt und wir haben uns auf Anhieb sehr gut verstanden. Er plant gerade seinen Umzug nach Freetown.

Beim YDP läuft vieles (noch) nicht perfekt, aber es hat in vielerlei Hinsicht die Voraussetzungen, die Salone Dreams nicht hat:

  • es wird von einem Einheimischen mit Landesexpertise, aber auch Auslandserfahrung geleitet.
  • Francis ist älter als ich, Vater und hat somit einen ganz anderen gesellschaftlichen Stand als ich.
  • das YDP besitzt zwei Grundstücke (eines davon ist riesig) und beide sind kaum bebaut, weil bisher die finanziellen Mittel fehlten.

Salone Dreams hingegen ergänzt das YDP in anderen Bereichen und deshalb haben wir uns nach vielen Gesprächen dazu entschlossen, die beiden Projekte zusammenzuschließen, um gemeinsam unsere Vision umzusetzen.

Was ändert sich dadurch?

Der Verein Salone Dreams bleibt bestehen, wird aber zum Förderverein des YDP in Sierra Leone, zwei CVJM-Gruppen in Deutschland unterstützen es auch schon. Ich werde im Vorstand des YDP vertreten sein und versuchen, Francis bestmöglich zu unterstützen, da auch er sich nach einer starken Unterstützung sehnt. Da das YDP in einem Umstrukturierungsprozess ist, konnte ich viele meiner Ideen von Salone Dreams einbringen und für mich ist es kein Kompromiss, sondern ein Zusammenfügen von Kräften und Ideen für ein gemeinsames Ziel: Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen durch vielfältige Ausbildung Perspektiven und Gestaltungsmöglichkeiten für ihre Zukunft zu geben.
Francis kennt auch unsere Schule in Yam's Farm schon und wird mich in meiner Abwesenheit vertreten. Mit meinen Mitarbeitern habe ich auch schon über das YDP gesprochen und sie können sich vorstellen, ihr Engagement dort einzubringen, vor allem George, der handwerklich begabt ist.

Dass mir mit dieser Entscheidung ein großer Stein vom Herz gefallen ist, beschreibt meine Gefühlslage am besten und auch wenn ich mit Sicherheit in Zukunft nicht weniger Zeit, Nerven, Geld etc investieren werde, ist es doch gut, nicht mehr in allen Bereichen alles alleine tragen zu müssen.

Ich hoffe, ihr könnt meine Beweggründe verstehen und nachvollziehen und wünsche mir sehr, dass ihr den Weg, den ihr mit mir angefangen habt zu gehen, auch weitergeht.

Ich werde demnächst konkrete Details zu den Projekten und Zielen des YDP auf unsere Webseite bringen, gerne antworte ich in Emails auch auf persönliche Fragen.


Auf bald,
Hanna