Newsletter Nr. 39





Liebe Leser,

in meinem letzten Newsletter stand Sierra Leone noch vor der Stichwahl – jetzt steht endlich ein Ergebnis fest! Julius Maada Bio ist neuer Präsident – wer er ist und was in den letzten Wochen passierte, werde ich in diesem Newsletter berichten.

Unity, Freedom and Justice – so lautet das Landesmotto Sierra Leones. Während dieser Wahlperiode war es ein Appell, den ich immer wieder gehört habe, denn ganz ohne Zittern und ein paar Unruhen ging die Wahl nicht einher.

Verschobene Stichwahl: Genau zehn Tage nach der ersten Wahl sollte die Stichwahl stattfinden, doch am Tag davor zog ein mächtiges Parteimitglied der APC-Partei als Privatperson vor Gericht und zweifelte die Richtigkeit der Auszählung der Stimmen an. Das Gericht gab dem Antrag letztendlich nicht statt, durch die Anhörung musste die Stichwahl jedoch verschoben werden und die Wahlkommission musste sich verpflichten, zur Auszählung der Stimmen der Stichwahl eine zweite, unabhängige Kontrollkommission einzuberufen. Gesagt, getan.

Stammeskonflikte: Doch leider hatte sich inzwischen die Stimmung in einigen Landesteilen, vor allem an den Grenzen der beiden größten Stämme, die mit Parteizugehörigkeiten eben der beiden zur Stichwahl zugelassenen Parteien, einhergehen, angeheizt. Politik wurde zur Stammessache und in einigen Städten wurden abends Ausgangssperren veranlasst und die Polizei- und Militärpräsenz stark erhöht.

Streitigkeiten bei den Auszählungen: Die Stichwahl am 27. März verlief dank der Sicherheitsmaßnahmen friedlich, doch beide Kandidaten verkündeten am Abend der Stichwahl, dass sie im Falle des Verlierens das Ergebnisse nicht anerkennen würden, es kam zu einigen Krawallen, bei denen jedoch niemand zu Schaden kam. Beim Auszählen der Stimmen gerieten die offizielle Wahlkommission und die erst neu eingesetzte Kontrollkommission in Streit und die Veröffentlichung des Ergebnisses verzögerte sich um mehrere Tage. Am 5. April dann endlich wurde verkündet, dass der Kandidat der zuvor größten Oppositionspartei gewonnen habe. Er wurde gleich am Morgen des nächsten Tages ins Amt beschworen, damit ja niemand gegen das Ergebnis Einspruch erheben konnte und so fügte sich auch der Gegenkandidat und gratulierte seinem Opponenten zum Sieg. Und seit dies geklärt ist, herrscht auch im Land wieder Unity, Freedom and Justice!

Der neue Präsident: Julius Maada Bio ist ambitioniert in sein neues Amt gezogen – er hat bereits mehrere Pressemitteilungen veröffentlicht, was er alles ändern wird. Zum Beispiel will er regelmäßige Kontrollen bei Staatsbeamten einführen über die Einhaltung der Arbeitszeiten. Diese nehmen die Sierra Leoner nämlich gerne nicht so genau und ich bin sehr gespannt, ob er tatsächlich Kontrolleure in Schulen, Behörden und Co schicken wird, um die Tätigkeit und Anwesenheit der Angestellten zu überprüfen.

Bio ist ein ehemaliger Brigadier der Armee und hat während des Bürgerkriegs eine nicht unerhebliche Rolle unter den Rebellen gespielt, wie groß aber sein Einfluss war, kann niemand genau sagen – und er selbst hat immer wieder darauf gepocht, dass seine persönliche Vergangenheit keine Relevanz für die Zukunft Sierra Leones habe. Eins macht ihm mir sympathisch: die Sierra Leoner neigen zu Wortreichheit (nett ausgedrückt) und Bio redet sehr gerade heraus, ohne große Umschweife und ich bin gespannt, was die nächsten fünf Jahre bringen.

Bis zum nächsten Mal
Eure Hanna