Newsletter Nr. 18





„Ebola hat keine Feinde, Ebola hat nur Freunde“

So sagt man in Sierra Leone. Und es stimmt, nur wer im engen, vor allem körperlichen Kontakt mit anderen Personen steht, kann sich infizieren. Daher breitet sich die Krankheit immer besonders stark im engen Familien- und Freundeskreis aus oder unter denen, die sich kümmern und pflegen. In der letzten Woche wurden zwei Mitarbeiter von zwei verschiedenen Krankenhäusern in Makeni positiv getestet. Das war und ist ein Schock, denn es hatte mehrere Woche keine Infektionen mehr unter dem Krankenhauspersonal gegeben. Ich kenne die beiden zwar nicht, aber meine Kollegen aus dem Nothilfeteam kennen sie gut. „Es ist wieder so nah“, sagten die Kollegen. Postwendend wurde dann auch die Eröffnung der Schulen und Unis noch einmal verschoben (eine gute Entscheidung, wie ich finde. Es ist zu gefährlich, weder die Infrastruktur, noch die Lehrerschaft ist adäquat auf die neuen Herausforderungen vorbereitet.)

Auch wenn World Hope nicht direkt in den Behandlungszentren arbeitet, gibt es doch viele Schnittpunkte mit Kranken und möglichen Fällen. Ich war auch schon einige Mal mit dem Team in den sogenannten „High risk zones“ unterwegs. Auch dort kann man sich entsprechend schützen und das habe ich getan, doch die Konsequenz ist, dass die Krankheit allgegenwärtig wird, sobald man sich näher mit ihr beschäftigt und „zum Freund wird“. Man muss ständig wachsam sein, um richtig agieren und reagieren zu können; in jedem Gespräch, persönlich oder professionell, kommt man über kurz oder lang auf die Krankheit oder ihre Konsequenzen zu sprechen; man wird mit sehr viel Leid konfrontiert; der zwischenmenschliche Umgang ist gehemmt. Ebola hängt wie ein Schatten über allen Lebensbereichen.

Ich fühle mich wohl und sicher in meiner neuen Wohnung, doch auch dort ist die Präsenz des Virus da. Ich teile mir sie mit Carrie, der Leiterin des Ebola-Notfallsteams von World Hope. Wir sind beide potentiell Risiken für einander und müssen uns, so gut es geht, voneinander fernhalten. Zum Glück gibt es zwei Badezimmer, sodass jede eins benutzen kann. In der Küche hat jede von uns ihr eigenes Geschirr, dass nur sie benutzt und abwäscht. Unsere Wäsche wird getrennt voneinander gewaschen. Wir vermeiden Berührungen. Carrie ist seit Oktober hier und bisher hat weder sie noch jemand anders aus dem Team sich angesteckt, doch das sollte kein Grund sein, die Vorsichtsmaßnahmen zurückzuschrauben. Ebola verzeiht keine Fehler, das ist die schmerzhafte Wahrheit, die schon viele in den letzten Monaten lernen mussten.

Mir fällt es schwer, auf andere Gedanken zu kommen und das Thema abzuschütteln, wenn es selbst zu Hause ständig präsent ist. Umso dankbarer war ich, dass Carrie mich an diesem Wochenende mit zu einem einsam gelegenen Strand genommen hat. In dieser Gegend hat es nie Fälle von Ebola gegeben und wir haben es geschafft, Ebola für einige Stunden aus dem Bewusstsein zu verdrängen, die Grundregeln des Abstandhaltens und der Hygiene natürlich immer einhaltend.

Wir waren nicht grundlos an diesem Strand, denn wir haben eine dreitägige Auszeit für Carries 20-köpfiges Team an diesem Strand geplant. Keiner von ihnen hatte seit Oktober mehr ein Wochenende frei, oft waren die Arbeitstage sehr lang, sie haben viel Schreckliches erlebt. Ich hoffe, dass auch sie am Strand die Möglichkeit haben, abzuschalten und für ein paar Stunden in eine andere Welt abzutauchen. Ich bin eigentlich nicht Teil dieser Gruppe und hatte nicht im Entferntesten daran gedacht, mitzufahren, aber nach mehrfacher Einladung fahre ich nun mit und freue mich auf interessante und vor allem längere Gespräche, für die bisher nie Zeit war. Denn ich weiß, dass einige der Teammitglieder sehr eindrückliche Lebensgeschichten haben – bald werdet ihr auf meinem Blog dazu lesen.

Auch jetzt schon gibt es drei Texte auf meinem Blog unter www.luetke-lanfer.de

Unser Konto hatte im letzten Jahr ein Plus und auch bisher sind einige Spenden für die Ebolanothilfe eingegangen. In den Emergency Meetings wurde mehrmals das Auffanglager für infizierte oder unter Quarantäne stehende Kinder genannt, das stark unterversorgt sei – an Medikamenten, Nahrung und Kleidung. Ich habe mich über World Hope bei der staatlichen Koordinationsbehörde gemeldet, dass ich mit einem Teil eurer Spenden das Auffanglager unterstützen möchte. Morgen gehen mein Kollege und ich auf große Shoppingtour und kaufen für 27 Kinder neue, unverseuchte Kleidung, Nahrung und Medikamente für die nächsten vier Wochen ein, in der letzten Woche haben wir schon zwei Wasserfilter für sauberes Trinkwasser hingebracht.

Auch für einige Überlebende möchte ich gerne in den nächsten Wochen weitere Starthilfepakete (Matratze, Kleidung, Nahrung, Bargeld) zusammenstellen.

Mit warmen Grüßen aus Makeni,
Hanna